Das fast vergessene Verwall

Am 2.7.2017 machten wir, eine kleine Wandergruppe, bestehend aus Anita, Sa- brina, Gerhard, Willi und Egbert, uns zu Fuß vom Arlbergparkplatz auf 1800 m auf zur Kaltenberghütte. Im Nebel und bei strömendem Regen ging es los.

Am Arlbergpass im strömenden Regen

Wenn wir nicht am Morgen bei strahlendem Sonnenschein in Frankfurt aufgebrochen wären, wäre die Stimmung kurz vor dem Nullpunkt gewesen, analog zur Außentemperatur. Dennoch lag die Ungewissheit, was wird mich auf den Hütten erwarten, wie anstrengend werden die Etappen sein, werden wir viel Schnee kreuzen, für einige Teilnehmer über der Wanderwoche. Nach zweieinhalb Stunden im Nebel tauchte plötzlich die Kaltenberghütte (2045 m) vor uns auf. Damit war der Auftakt schon einmal gesichert.

Auf der Krachenspitze mit Blick auf den
Kaltenberg

Der nächste Morgen stellte sich mit partiellem Sonnenschein ein. Wir brachen um halb neun auf. Das war ideal, um einerseits die angekündigten Regenfälle des frühen Morgens abzuwarten und andererseits den Wolken einen gewissen "Vorsprung" zu geben. Die Untergrenze der Wolken lag 300 m über uns, aber noch nicht ausreichend hoch, um das Krachenjoch (2650 m) im Sonnenlicht zu sehen. Als wir am Joch ankamen, war strahlender Sonnenschein. Von der etwas höher liegenden Krachenspitze (2686 m) bestaunten wir die umliegende Bergwelt, unter anderem mit dem Hausberg, dem Kaltenberg (2896 m) und dem Patteriol.

Der Kaltenbergsee hatte noch einen partiellen Schneeüberzug und Schneefelder waren allgegenwärtig. Nach einem erneuten Gegenanstieg auf das Gstansjoch (2573 m) ging es bis zur Konstanzer Hütte (1688 m) auf dem Reutlinger Weg bergab. Nach sechs Stunden reiner Gehzeit kamen wir bei strahlendem Sonnenschein, der uns die ganze Woche begleitete, an.

An der Konstanzer Hütte

Die Baumgrenze lag nun wieder oberhalb von uns. Auf der Terrasse labten wir uns gerade bei Kaffee und Kuchen, als Willi mit hängendem Kopf aus der Hütte zu uns kam und sagte, dass für ihn die Tour wohl zu Ende sei! Was war passiert? Seine Geldbörse mit der Appanage für die ganze Woche war verschwunden! Er hatte die Übernachtung bezahlt und danach sein Portemonnaie nicht mehr gesehen. Beim Rekapitulieren der Situation mit allen Beteiligten, wie und welche Rucksäcke nebeneinander standen, wo und welche Strecken gegangen worden sind, usw., fand sich das Portemonnaie dann mitsamt der Barschaft in einem anderen Rucksack wieder. Offensichtlich hatte Willi es irrtümlicher Weise in den falschen Rucksack gesteckt. Was für ein Schreck!

Das Fasultal

Der nächste Morgen kam mit strahlendem Sonnenschein und wir zogen über das Fasultal und den Bruckmannweg, der erst beim Kugelten Stein so heißt, zur Neuen Heilbronner Hütte los. Sechs Stunden reine Gehzeit standen auf dem Programm. Ein mittelschwerer Bergweg zog sich am Patteriol (3056 m) und dem Horn (3019 m) mit gegenüber liegender Fasulspitze (2845 m) vorbei zum Wannenjöchle (2633 m) und dem Wannensee.

Auf dem Wannenjöchle
Die Schneidseen

Wir hatten die wilde Rosanna zu queren, bevor wir auf die 2320 m zur Hütte in das Schönverwall aufstiegen. Auf der Hütte blickte man auf den lieblichen Schneidsee mit einer Insel in der Mitte hinab. Der See war eingebettet in die wunderschöne, grüne Natur, die aus Grasland bestand. Meiner Meinung nach hat das Schönverwall zu Recht hier seinen Namen bekommen.

Auf der Gaisspitze

Die nächste Etappe war mit dreieinhalb Stunden bis zur Friedrichshafener Hütte recht kurz. Über recht moderate Hänge ging unser Weg in zunehmend ruppiger werdendes Gelände. Am Muttenjoch (2620 m) legten wir die Rucksäcke ab und kletterten in  einer halben Stunde auf den 159 m höher liegenden Gipfel der Gaisspitze (2779 m). Eine tolle Aussicht auf die übrigen Berge begrüßte uns.

Am Martaljoch

Vor etwa 30 Jahren hatte ich die Friedrichshafener Hütte zuletzt besucht. Die Außenwände standen zwar noch, aber innen war die Hütte komplett umgebaut worden. Idyllisch lag sie an einem kleinen See, so dass es Anita und Willi nicht zu verdenken war hier zu bleiben, um sich für die morgige, kräftezehrende Etappe zu schonen. Mit Sabrina und Gerhard ging es noch auf den Georg-Prasser-Rundweg, über das Schafbicheljoch und die Grafspitze (2865 m) wieder zur Hütte zurück. Auf der gegenüberliegenden Berggruppe konnte man die Vollandspitze (2926 m) mit dem Fasulferner ausmachen.

Kuchenspitze und Küchelspitze

Acht Stunden reine Gehzeit bis zur Darmstädter Hütte standen nun auf dem Plan. Über das Schafbicheljoch (2636 m) hinweg in Richtung Konstanzer Hütte, um dann davor wieder 980 m am Stück zum Kuchenjoch (2730 m) aufzusteigen. Die Kondition der Wandergruppe war so gut, dass es für den Aufstieg zum Scheibler (2978 m), einem fast 3000er, gereicht hat. Von dort aus sahen wir den Patteriol, die Kuchenspitze und natürlich auch die anderen in näherer und weiterer Umgebung liegenden Berge.

Der Abstieg zur Darmstädter Hütte (2384 m) auf dem Apothekerweg war zu Anfang steil, so dass wir das angebrachte Fixseil zur Hilfe nehmen mussten. Es wurde uns schlagartig klar, warum der Weg so genannt wurde, noch besser wäre die Benennung z.B. als Klinikweg gewesen. Auf dem Abstieg konnten wir die mageren Überreste des Kuchenferners sehen.

Ein Blick auf die Samnaun-Gruppe mit
der Vesulspitze

Auf der Hütte sahen wir den nächsten Tourabschnitt auf dem Hoppe-Seyler-Weg zur Niederelbehütte von der Terrasse aus ein. Er hatte seine Kennzeichnung als schwerer Bergweg zu Recht, so steil und unwegsam ging es durch das Geröll. Auf der Darmstädter Hütte war ein Kamerateam vom SWF und drehte am nächsten Morgen Aufnahmen wie wir frühstückten und uns fertig machten, um darüber zu berichten, warum wir das Verwall bewanderten und anschließend loszogen.

Schmalzgrubensee und der Kleine sowie
Hohe Riffler

Die Besteigung des Scheidjöchli (2841 m) und der Kieler Wetterhütte (2800 m) waren mühsam, aber unabdingbar, und so waren wir froh, als wir in der Niederelbehütte (2310 m) ankamen.

Der Kieler Weg führte uns zunächst zur Schmalzgrubenscharte (2697 m) und dann auf dem Rifflerweg zur Edmund-Graf-Hütte (2408 m) in vier Stunden. Vom Schmalzgrubensee hatte man einen hervorragenden Blick auf den Hohen Riffler. Der Rifflerweg machte einen Bogen und wir konnten die Edmund-Graf-Hütte, die an der Ecke eines Rundbogens gelegen ist, schon sehen.

Auf dem Hohen Riffler

Nach einer Stärkung und dem Zurücklassen des Gepäcks an der Hütte, stiegen wir zum Hohen Riffler (3168 m) auf. Ein bellender Hund machte uns auf eine Gämse mit zwei Jungen aufmerksam. Natürlich hatte der Hund keine Chance, die Gämsen im Geröll zu verfolgen. Auf dem Gipfel ging unser Blick in die Weite der Bergwelt. In unmittelbarer Entfernung waren der Kleine Riffler (3014 m), das Blankerhorn (3129 m), der Scheibler zu sehen und da, wo sich der Gletscher schon zurückgezogen hatte, ließ er eine Steinwüste übrig.

Nach einer Woche kamen wir froh, erschöpft, aber irgendwie auch erholt am Ende der Tour in Pettneu an. Eine Woche sind wir über Pässe und auf Gipfel gestiegen. Nun hatte uns die Zivilisation wieder. Es war eine wunderbare und schöne Verwall-Wanderung. Das Wetter, die Schneefelder, die Stimmung unter den Teilnehmern, das Schafkopf spielen sowie die Gehzeiten, alles hat gepasst. Es gab noch bei einer fast vollen Stempelkarte ein Finisher-T-Shirt vom DAV-Reutlingen. Verdient haben sich die Teilnehmer das T-Shirt allemal, weil sie die Hüttenrunde von sieben der acht Übernachtungshütten im Verwall in die Stempelkarte haben eintragen lassen.

Text und Fotos: Egbert Kapelle

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