Klettern und Wandern in Kroatien
Crni Vrh, wo ist das und was? Schon alleine wegen des unaussprechlichen Namens wollten wir gerne mal diesen Berg in Kroatien besteigen. Noch besser wäre der Vaganski Vrh, mit seinen 1757 m der höchste im Velebit, dem Gebirge des Paklenica-Nationalparks. Doch es kam ganz anders als geplant.
Gernod und ich hatten eine Kletter- und Wanderwoche in Kroatien im Paklenica-Nationalpark ausgeschrieben, allgemein bekannt aus den Winnetoufilmen, die dort gedreht wurden. Aber einigen aus der Bergsteigergruppe noch bekannt von einer Gemeinschaftsfahrt 2003, die Helmut Brutscher damals organisiert hatte. Wir Kletterer: Luzia, Marina, Gert, Karl-Ludwig, Hans, Egbert, Toni und ich, wollten die zahlreichen Sportkletterrouten antesten, die als schon sehr abgespeckt gelten, aber vor allem Mehrseillängenrouten klettern, von denen es etliche an kleinen Felsmassiven im Nationalpark gibt. Als Krönung sollte eine Durchsteigung der berühmten 300 m hohen Anica Kuk stattfinden und der Turm auf der Insel Pag. Als „Nur-Wanderer“ waren Friedbert und Marlene mit dabei, allerdings hielten wir es uns offen, auch alle mal gemeinsam zu wandern.
Einiges kam anders als geplant. Manches besser, aber eben 2019. Unser Wanderleiter Gernod fiel schon vor der Tour aus, weil er sich eine Woche vorher eine Bänderzerrung zugezogen hatte. Und für unsere Kletterpartnerin Anne rückte spontan Karl-Ludwig nach und beabsichtigte, einen Film über unsere Unternehmung zu drehen. So lag es nun an mir und an dem Engagement der Wanderer, sich schöne Wege zu überlegen. Und ich kann schon verraten, wir hatten eine fitte Gruppe zusammen. Nicht nur der sportliche Aspekt stimmte: Kameradschaft, Akzeptanz und gute Laune brachten alle mit.
Schon im Vorfeld freuten wir uns auf unser Appartement, das mit Meerblick beschrieben war und 11 Personen Platz bot. Wir wurden nicht enttäuscht. Der Flug nach Zadar und die Übergabe der Leihwagen verlief reibungslos und so waren wir schon vor dem Abendessen an unserem Appartement in Starigrad-Paklenica, wo uns Hans und Karl-Ludwig empfingen. Sie waren schon etwas früher mit dem Auto angereist. Meerblick, Balkon, schöne Zimmer und nette Vermieter, ein Supermarkt für die Tagesverpflegung gegenüber, was will man mehr, um sich ganz aufs Klettern und Wandern konzentrieren zu können. Am gleichen Abend entdeckten wir auch unsere Lieblingsgaststätte, der wir nur einmal untreu wurden, weil es allen nach Pizza war … Aber wenn man auch so verwöhnt wird von einer umfangreichen kroatischen Speisekarte, wo auch die Vegetarier nicht zu kurz kamen (hmm, Mangold ...), ab und zu Palatschinken als Gastgeschenk des Hauses und zum Abschluss immer einen Hausschnaps!
Am nächsten Tag wussten wir schon, dass uns am Eingang des Nationalparks, der 2 km von unserer Unterkunft lag, erst mal die Gebühr erwartete. Wir buchten ein 5-Tagesticket und wurden zum Parken eingewiesen. Was wir nicht wussten war, dass an dem Wochenende, an dem wir anreisten, ein Klettercup stattfand und dementsprechend viel los war im Park. Lautsprecheransagen, eine Bar mit Zuschauern, Musik, Riesennummern an den Wänden … Wir hatten, wenn wir nicht gerade selbst kletterten, die Aussicht nach oben auf die ganz großen Wände wie Kletterer. Feststellen mussten wir, dass die Routen entweder sehr hart bewertet waren oder schon ziemlich abgespeckt. Wiener Würstchen mit seiner Bewertung 5a war da schon unsere Obergrenze. Hans und Egbert gingen an ein kleines Massiv mit Mehrseillängenrouten und machten da die Erfahrung, dass die Abstiege gefährlicher waren als die Routen selbst. Ebenso, dass man im 3er/4er-Bereich alles komplett selbst absichern musste.
In den nächsten Tagen stellten wir fest, dass es wichtig ist, den Kletterführer sehr sorgfältig zu lesen. Nicht nur das Massiv und den Zustieg zu den Routen zu finden war wichtig, sondern auch, wie man wieder herunter kommt und ob die Route überhaupt abgesichert ist oder man Klemmkeile und Friends benötigt. Aber am Ende der Woche hatten wir es drauf, wie man den 5-sprachigen Kletterführer liest und wie man Zustiege findet. Wir kletterten am Kukovi ispod Vlake die Route Nosorog (4c), eine sehr schöne Gratkletterrei mit 5 Seillängen, am Veliki Vitrenik einige ungesicherte Routen im 4er Bereich, am Ovcij kuk gesicherte und ungesicherte Routen, und am Kuk od Skradelin Routen im Bereich 4b+ mit 4 Seillängen. Egbert und Hans probierten Routen am Veliki Cuk, einem Massiv, das neben der berühmten Anica Kuk liegt, aber eben nur etliche Schwierigkeitsgrade darunter aufweist. Leider hat sich Egbert bei einem seiner Abstiege am Bein verletzt.
Zuerst sah es so aus, als ob er ins Krankenhaus müsste, sein Oberschenkel war mächtig angeschwollen. Aber nach einem Ruhetag konnte er schon wieder mit den Wanderern mithalten. Ebenfalls verletzt hat sich Toni bei einem Vorstiegssturz aus einer 5a und fiel danach als Kletterer aus. Daraufhin begann ich an unserem Kletterkönnen zu zweifeln. In anderen Gebieten geht eine 5a uns allen leicht von der Hand. Und in der Kletterhalle hatten wir doch den ganzen Winter so sehr geübt …! Luzia und ich beschlossen daraufhin, uns mal an die abgespeckten Sportkletterrouten zu machen, um mit den Wasserrillen und der Felsqualität vertraut zu werden. Wagemutig stieg ich eine 5a vor, die vor Jahren noch als 4c bewertet war (Figa). Mit etlichen Schwierigkeiten schaffte ich sie im Vorstieg. Dass sie wirklich nicht gerade leicht war, zeigte mir die uns nachfolgende Seilschaft. Junge Kerle, die sich auch mit der Schwierigkeit etwas überschätzt hatten. Sie gaben noch vor dem Umlenker am letzten Haken auf.
Um auch den Wanderern eine abenteuerliche Tour zu bieten, entschied ich mich für die „kleine Schlucht“ Mala Paklenica. Sie läuft parallel zur „großen Schlucht“ Velika Paklenica, in der geklettert wird. In der Mala Paklenica gibt es einen Klettersteig, viel Wasser und große Steine im Bachbett, über die man den Flusslauf hochwandert. Wenn nicht viel Wasser drin ist, läuft man größtenteils im trockenen Bachbett. So steht es im Rother Wanderführer, der für die ganze Runde 7 bis 8 Stunden ansetzt. Vor Jahren bin ich diese Tour schon einmal gegangen und hatte sie aufgrund ihrer üppigen Vegetation, ihrer Ausblicke aufs Meer, dem Vogelgezwitscher und der Einsamkeit in bester Erinnerung. Alles war auch 2019 genauso, nur dass der Wasserstand etwas höher war und im oberen Bereich der Schlucht das Gehen fast unmöglich machte. Deshalb beschlossen 4 aus unserer Gruppe, wieder umzukehren. Zu fünft gingen wir dann teils im Wasser (ohne Hose und Schuhe) weiter, hüpften 9 km lang über Steine, staunten über kleine Wasserfälle und diese fast tropisch anmutende abgeschiedene Vegetation. Irgendwann einmal beschloss Luzia, die Schuhe anzulassen, was das Gehen erleichterte, und nasse Schuhe eben zu riskieren. Wir waren froh, als wir wieder festen Boden ohne Wasserlauf erreichten und nach 300 hm Anstieg endlich die rausgezögerte Mittagsrast im Trockenen machen konnten.
Der Abstieg in die Veliki Paklenica war lang, aber er eröffnete uns zum Abschluss einen Blick in die Wand der berühmten Anica Kuk. Ob wir uns in den nächsten Tagen trauen, eine der leichteren Routen dort in Angriff zu nehmen? Die Brahm (5c) oder Mosoraski (6a), die ich vor Jahren schon einmal mit Gert geklettert war, wären unser Ziel. Oder doch lieber nicht klettern, weil alles so schwer geworden ist, und auf den Crni Vrh wandern? Auch eine große Tour von 8 Stunden.
Wir mussten aufgrund unserer wenigen Zeit, die uns in Kroatien verblieb, nicht entscheiden. Da wir noch Pag auf dem Programm hatten, fuhren wir zum Abschluss alle gemeinsam auf die Insel und erlebten in einer fast wüstenähnlichen Landschaft eine ganz andere Felsqualität. Strogir heißt der Turm aus Muschelkalk, der sich unwirklich mitten in der Steinlandschaft über dem Meer erhebt.
Da nur noch 3 unverletzte und willige Kletterer übrigblieben, war die Entscheidung nicht so schwierig, wie die Seilschaft aussieht. Entschieden musste nur noch, wer die 2 Seillängenroute (5b) vorsteigt. Es war Hans, der den meisten Mut hatte, Gert übernahm die zweite Seillänge. Ich kam in den Genuss des Nachstiegs. Ein anderes Gestein, nicht abgespeckt, überall gute Tritte, freundlich abgesichert. Und dazu noch Sonnenschein, kein Wind und grandiose Aussicht aufs Meer! Auch das Abseilen über 60 m war ein Genuss und hat uns wieder unser Selbstvertrauen in unser Kletterkönnen zurückgegeben. Wenn wir nur noch ein paar Tage dranhängen könnten! Dann hätten wir den Mut, in die Anica Kuk einzusteigen. Also müssen wir 2020 noch einmal zurückkommen. Auch um endlich den Crni Vrh zu besteigen.
Text: Gabriele Dudda
Bilder: Teilnehmer