Osterfahrt

Montag Nacht und der Wecker schrillt; an jedem anderen Tag würde man sich die Decke über den Kopf ziehen und wünschen, man wäre taub. Draußen ist es noch dunkel und kalt, doch die Stimmung steigt von Minute zu Minute. Und dann an der Kletterhalle angekommen, der Kofferraum prall gefüllt, fallen die Türen ins Schloss, noch ein letzter Abschiedsgruß für die Eltern und die Fahrt kann beginnen.

 

Schon die Autofahrt vergeht wie im Flug: Wir singen Karaoke, abwechselnd mit Klassikern und modernen Hits. Draußen braust die italienische Landschaft vorbei, und die wärmende Sonne strahlt uns entgegen. Angekommen am Campingplatz steht die erste Herausforderung bevor, im Schatten der Olivenbäume werkeln alle an ihren Zelten. Bei einer ersten Erkundung des Campingplatzes entdecken wir einen alten Volleyballplatz, den wir wiederbeleben. Danach helfen alle dabei, das schon vorher geplante gemeinsame Abendessen vorzubereiten. Fünfzehn helfende Hände und der im Kochen sehr erfahrene und talentierte Jugendleiter Jan zauberten an jedem Abend der zwei Wochen eine unglaublich leckere Mahlzeit, die jedes Mal schon in wenigen Minuten verdrückt wurde.

 

Im Flow der Musik aus der Musikbox ging es quer über den Campingplatz zu den Spülbecken, wo mit der Suppenkelle in der Hand energisch und kraftvoll mitgesungen wurde. Bei Einbruch der Dämmerung setzten wir uns alle zusammen und jagten im Spiel Werwölfe: Im Schein der Taschenlampen und bewaffnet mit Snacks, spielten wir unterm Sternenhimmel bis in den späten Abend hinein.

 

Beim Aufgehen der Sonne beginnt der erste Klettertag. Mit gepackten Rucksäcken geht’s an der Küstenstraße entlang. Ringsum nur Natur, aus der prachtvolle Felsen emporragen. Ausführlich und geduldig von den Jugendleitern über die Sicherungsvorgänge aufgeklärt, ist der kühle und raue Fels dann auch schon unter der Handfläche zu spüren. Unter einem der Abgrund, der mit je-dem Armzug in Richtung Spitze mehr von dem atemberaubenden Panorama preisgibt. Noch weiter, noch höher, die Muskeln fangen an zu zittern, der Atem wird schneller, noch zwei Züge… mit der letzten Kraft zum Gipfel hochgezogen und das Adrenalin strömt durch den Körper. Der Blick wendet sich zum Tal, die Lunge füllt sich mit frischer Bergluft und die Augen können sich nicht satt sehen an dem Anblick. Es ist unbeschreiblich, wie groß und frei man sich fühlt, wie mächtig und zugleich doch so klein mit den Bergriesen auf Augenhöhe.

 

Zur Mittagspause findet man sich zusammen mit sehr guter Stimmung und viel Gelächter. Der Tag vergeht wie im Flug, gegen 15 oder 16 Uhr werden die ersten Routen abgebaut und es wird zusammengepackt. In der Nachmittagssonne geht es zurück zu den zwei Autos. Auch die Autofahrten waren ein wesentlicher Teil der Fahrt; mit offenen Fenstern, frischer, kühler Salzwasserluft im Haar und unbeschwertem Herzen verlor man sich im tiefblauen Horizont.

 

Während der Fahrt waren wir natürlich auch einige Male einkaufen, meistens in unterschiedlichen Gruppen, was auch neue Erfahrungen mit sich brachte. Im Supermarkt durfte grundsätzlich alles in den Wagen, worauf jemand Lust hatte, von leckeren Snacks zu tollen Aufstrichen (italienischer Mozzarella fehlte dabei nie!), leckerem Brot und Gebäck.

 

Das Volleyballnetz auf dem Campingplatz hatten wir während des gesamten Aufenthalts für uns allein. Dort wurde Volleyball gespielt, gelesen, Musik gehört, viel gelacht und gemeinsam wurden wunderbare Stunden verbracht. Gegenseitig brachten wir uns das Spielen bei und wurden von Mal zu Mal besser. Die Jugendleiter bemühten sich auch, Schritt für Schritt die Spielregeln zu erklären. Wir spielten in unterschiedlichen Gruppen mit den Jugendleitern, was die Gruppendynamik stärkte und für viele unvergessliche Momente sorgte. Die Stimmung war mega und die Sonnenuntergänge, die man wunderbar vom Platz aus beobachten konnte, toppten das Ganze noch. Mit Einbruch der Dunkelheit wurde dann wieder gekocht und für den nächsten Tag gepackt.

Jeder Tag war einzigartig. Neben den Klettertagen verbrachten wir auch einige Tage an einer traumhaften Bucht. Das Meerwasser war erfrischend und glitzerte türkisgrün in der strahlenden Mittagssonne. Wir waren ungestört und der Steinstrand war komplett naturbelassen.

 

Es war auch immer möglich, Wünsche für Aktivitäten zu äußern. Die Jugendleiter waren alle sehr offen für Vorschläge und versuchten, sie zu ermöglichen. So besuchten wir einen 700 Meter hohen Klettersteig, der über mehrere Berggipfel und eine 42 Meter lange Hängebrücke führte. Von der höchsten Stelle aus bot sich uns ein faszinierender Panoramablick auf die Alpen und die am Horizont zu erkennende Insel Korsika.

 

Auch das Entdecken und Erkunden von Höhlen auf dem Weg zu den Kletterrouten bescherte uns abenteuerreiche Momente. In der zweiten Woche entdeckten wir eine etwas abgelegenere und selten besuchte Höhle, die wir einen Tag lang erkundeten. Ausgerüstet mit Abseilausrüstung und Stirnlampen ging es eine steile Steinwand in den großen Innenraum der Höhle hinunter. Salztropf-steine und malerisch schöne Höhlenstrukturen waren zu erkennen. Von der Decke hingen Fledermäuse. In der Stockfinsternis stiegen wir durch alte Bergarbeiterschächte, kletterten über Felsbrocken, sprangen über ,,schwarze Löcher“ und seilten uns immer tiefer in das Herz des Berges hinab. Höhepunkt der Tour war ein kleiner Bach dutzende Meter unter der Erde. Das Wasser musste einer Bergquelle entspringen und mündete in vielen kleinen Wasserbecken. Im Scheine der Stirnlampen leuchtete es klar und türkisblau.

 

Was aber natürlich auch nicht fehlen durfte, war das beliebte Geländespiel „Capture the Flag“, bei dem man im Team die Flagge des gegnerischen Teams suchen und auf seine Seite bringen musste. Für das Spiel sind eine gute Strategie und Teamarbeit notwendig, welche durch die stille Waldatmosphäre gefördert wurden.

 

In der letzten Nacht schliefen wir unter freiem Sternenhimmel und wurden vom Sonnenaufgang geweckt. So klang eine unvergessliche Reise aus.

 

Die Fahrt war auch wegen der Jugendleiter so fantastisch, die sich um uns kümmerten und mit denen wir eine wirklich lustige Zeit verbrachten. Sie sind alle sehr kompetente, charismatische, humorvolle Menschen und bemühten sich sehr, auf unsere Wünsche einzugehen. Sie waren sehr verantwortungsbewusst, zeigten Talent und Erfahrung im Führen und nahmen sich bei Bedarf für jeden Einzelnen genügend Zeit, um etwas zu erklären.

 

Die Fahrt gehört zu den besten Dingen, die ich in den letzten Jahren gemacht habe, und der Ab-schied von allen war viel zu schwer. So eine Jugendfreizeit ist die beste Möglichkeit, um neue Leute kennen zu lernen, die aus unterschiedlichen Stadtteilen kommen und die man sonst nie getroffen hätte. Man macht Erfahrungen, die man weder im Alltag noch im normalen Urlaub machen kann. Man erlebt und lernt Dinge, die man nie vergessen wird. Ein völlig neues Umfeld und das Verlassen der Comfortzone sorgen dafür, dass man neue Seiten von sich selbst entdeckt. Und auch die Freude, die man mit den anderen Menschen hat, der Perspektivwechsel und das Vergessen von Alltagssorgen: All das sind wichtige Gründe, um solch eine abenteuerliche Fahrt zu wagen.

 

Text: Aurelia Proskar und Carla Dammann

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