Forschung im Herbstlabyrinth

Herbstlabyrinth – Hirnwindung

Seit bald 2 Wochen herrscht Dauerfrost und die Wettervorhersage verspricht auch für Samstag 21.Jan.2017 eisige Temperaturen bei schönstem Wetter. Also kann unsere Forschungstour in die hintere Nordwestpassage starten, Oberflächenwasser haben wir absolut keines zu befürchten. Der Panierschluf ist eine Staubwüste J.  In der Nordwestpassage habe ich seit Nov. 2016 noch „eine Rechnung offen“. Die Eroberung eines Schlotes mit Steigbaum in den obersten „Verlorenen Schächten“  nebst weiteren Kletterpassagen klappte assistiert von Bernd gut, doch die Vermessung musste ich alleine und auf Tempo ausführen – nicht ganz mein Qualitätsverständnis, jedoch wichtige Meter. Zudem habe ich im letzten Augenblick dort oben noch einen Schluf entdeckt und nur die Nase reingehalten – geht weiter !

DA wollte ich unbedingt wieder hin und schon standen Julius und Jan pünktlich um 9:30 bibbernd am Höhleneingang.  Nix wie rein in die leichten Klamotten und von -10°C auf +10°C hinter die Höhlentür gewechselt. Bohrmaschine, Anker, Schraubglieder, Seil, Erste Hilfe Tonne, Essen und Getränkeflaschen, Not-neo, Rettungsdecken, etc.  füllten die 2 Schleifsäcke rasch. Nach 24 Minuten waren wir schon durch die Gärtnerfalle, hurtig ging´s weiter in den Schlamm. Ein paar Fotos im Südbach der Nordwestpassage, doch es zieht uns rasch weiter. Den Linksabzweig durch das Dolmen-artige Törchen in die „verlorenen Schächte“ habe ich gleich wiedererkannt, man zwängt sich dahinter sofort fies hinauf. Der Schlamm war auch noch unverändert pappig und die Seile entsprechend. 

Draußen wurde die Frage „habt Ihr SRT-Gurtzeug dabei ?“ mit JA beantwortet, doch leider muß ich feststellen, daß Julius und Jan nur EIN Gurtzeug dabei haben – oh, das dauert !  Immerhin kann ich so gebremst gemütlich von unten nach oben neu vermessen – Julius lasert. Am oberen P8 überholt uns Jan als wir noch eine kleinen Seitenraum vermessen. Und mit Glück verfehlt Julius und mich ein oben aus dem Schlamm geschobener Brocken, uffpasse !!!  Endlich sind wir alle oben, 3 Stunden und ebbes ab Eingang.

Der unter Kniehöhe startende Schluf ist schwer zu sehen, Jan robbt ein.  Nach 5 Metern muß man im zähen klebrigen Schlamm graben, denn die Deckenhöhe im 2-3m breiten, ansteigenden Schluf ist recht knapp bemessen. Jan wälzt Steine bei Seite und fabriziert ein Mäuerchen. Ich folge nach einigen Fotos als Ablösung, doch Jan kann nicht zurück den Julius hält es auch nicht draußen. Na, man kann da zu Dritt arbeiten – Steine und Schlamm durchreichen.  Wir sehen aus wie die Erdmännchen.  Ein Fledermaus-Unterkiefer und eventuell ein Zahn ? (oder Kieselstein) beschäftigen uns. Jan hat links mit dem ständigen Blick in den Schlamm eine fette Deckennase übersehen und hat sich festgegraben, ich überschlufe rechts und habe dicke Steine vor mir. Jan sagt er hat fallende Tropfen gehört – in den Schlamm ??  Unser Rufen wird mit Echo belohnt – Holladiewaldfee – das haut sogar dicke Steine weg. Doch es wird steiler und ein letzter Brocken blockiert den Durchstieg ins schwarze Nichts. Ich bekomme Ihn von unten weg und zücke den Foto !  Die Kollegen murren unruhig – doch der Moment für die Ewigkeit muß festgehalten werden – feinstes NEULAND unberührt !  

Auf den ersten Blick denke ich, ich lande an der Oberfläche einer großen Wasserlache – doch es ist nur eine scharfe Wasserlinie – ohne Wasser !  Rechts blinkt Sinter an der Wand, darunter Bodensinter und Sinterperlen. Da ist auch das stehende Wasser in welches die Tropfen einschlagen. Der Raum ist sicher 3-4m hoch. Links führt Verbruch nach oben, da kamen die Steine im Schluf her. Rechts rücken zwar die Tropfsteine zusammen, es bleibt von der Kluft jedoch ein dreieckiger Bereich offen – ein schwarzes Loch, HURRA !!  Doch wie sollen wir Dreckspatzen über den feinen Sinter dorthin kommen ?  Ohne Gummistiefel, ohne Handschuhe, ohne Schlaz ? Wir überlegen.  An der Gegenwand ist die Hohlkehle auch lehmig, also schlufen statt laufen – das ist in Ordnung und los.  Schon sehe ich im Sinterbereich Knochen – lange Knochen, ein ganzes Fledermausskelett  ?. Schwer direkt zu sehen – doch eigentlich zu groß.  Mit dem Foto auf dem Stativ gelingen ein paar Bilder.

Weiter geht es auf das schwarze Dreieck zu, ein Tropfsteinstumpf wacht wie der Schiefe Turm von Pisa über die Passage, eine feines Sinterbecken folgt, dann weitet sich die Kluft in einen lehmig nassen Raum. Der Boden ist ein von Trockenrissen überzogenen Lehmboden, doch es steht auf einer Fläche von ca. 4x4m Wasser darauf. Links in der Mitte glänzt das HIRN. Die Wände zeigen Exzentrics, rechts zieht eine Kluft nach oben. Etwas weiter in der Hohlkehle hängen tatsächlich Poolfinger. Gegenüber stoppt eine Geröllhalde über die ganze Gangbreite den Vorstoß.  WHOW – wir haben tatsächlich ein neues Niveau entdeckt !   Trotz Lehmgesichtern strahlen wir wie die Honigkuchenpferde ! 

Noch ein paar Bilder und dann wird fleissig vermessen, ca. 46m kommen neu zusammen. Hupps, schon ist es 18 Uhr – der Hunger will gestillt werden. Nach dem Schluf nach draußen macht sich die Erschöpfung bemerkbar. Der fette zähe Lehm, das Graben, der fallende Adrenalinspiegel  und wir sind schon 8 Stunden in Aktion. Ordentlich mit Lehm aufgebretzelt bekommen wir die Gurte nicht zu – ein viele Körner kostender Kraftakt. Eine Stunde später sind wir alle unten – nur noch 3 Stunden nach draußen.

Leider nicht „easy going“ mit 2 Säcken und 3 Leuten wie leichtfertig gedacht, denn Julius hat versprochen noch ein blaues, harmloses, kleines Säckchen aus den Wandelgängen auszuführen. Wie sich herausstellt ein Säckchen mit Eisen und Bohrmaschine – also eine echte Last.  So hat jeder ständig ohne Erholungspause was zu tun – doch wir kämpfen uns ruhig voran.  In der großen Halle wissen wir, dass wir 22 Uhr draußen nicht mehr schaffen, wird wohl ein halbes Stündchen später. Die Alarmzeit ist 2 Uhr – passt also.  In der hohen Alp ist unsere deponierte Wasserflasche von den Kollegen entsorgt worden – also auch noch Durst leiden. Naja, nur noch ein Stündchen. Gut ist, daß man die letzten Meter zur Knöpfchenhalle sowieso zumeist auf den Knien unterwegs ist, da fällt die Erschöpfung nicht so auf. Erst die lange Treppe zeigt einem wo der Hammer hängt.  Nach 11 Stunden 50 Minuten unterziehen wir uns wieder dem Temperaturschock – 20° Differenz hinaus in die eisige sternenklare Nacht.

Am heißem Holzofen kommen die Lebensgeister mit warmen Getränken und verdientem Essen (Großer Dank an Annette und Ingo)  wieder zurück.  Bilder und Vermessungsdaten werden aus dem Schlamm geborgen und ausgiebigst besichtigt. 

War super – viele verbringen Ihre Samstage ja in der Supermarkt-Kassenschlange – warum also nicht mal die bekannte Welt erweitern ?

Glück tief, Oliver Kube

zurück