Jungmannschaft in Berdorf

 „Hast du den Kletterführer?“, „ Wie? Ich? Ich dachte du hast den eingepackt?“. Konversationen dieser Art sind immer äußerst erfreulich wenn man in einem Klettergebiet vor den ersten Routen steht. Da wir aber glücklicherweise Berdorf als Kletterziel für das Wochenende ausgesucht hatten sollte uns dies nicht davon abhalten in die ersten schönen Sandsteinrouten einzusteigen, denn in der Regel trifft man hier immer wen am Fels. Blöd nur, wenn man an einem total verregneten Juni Wochenende in das beliebte Klettergebiet in Luxemburg aufbricht. Also keine anderen Kletterer bei 20 l Starkregen in Sicht. Hmmmm… Was tun? Klettern natürlich! Da wir uns bereits in den letzten Wochen aufgrund der unangenehmen Wetterbedingungen in großen Teilen Deutschlands in Boulder- und Kletterhallen oder in steilen Frankenkalk flüchten mussten, wussten wir was zu tun ist!  Also steil Klettern. Gott sei dank war einer der Reiseteilnehmer bereits „gebietserfahren“ und wusste wo man sich bei diesem Wetter aufwärmen kann. „Die hier?“, „Ja, höchstens 7a, glaub ich“, „na gut, vielleicht nicht das Beste zum Aufwärmen, aber besser als nichts.“ Also ein paar Runden vor dem Fels eingelaufen, Schultern gekreist, Hände gekreist, Schaumstoffball geknetet. Auf geht’s! Wacker (mehr fluchend als kletternd) schindet sich der erste Vorsteiger die doch durchaus steile Wand nach oben. Unterwegs muss er leider feststellen, dass sich das ganze Unterfangen doch eher schwerer als 7a anfühlt. Dies bleibt natürlich vorerst ein Geheimnis des Vorsteigers: „Gar nicht sooo schwer. Nen paar harte Züge, aber geht schon.“ Der Sichernde konnte dieser Aussage nicht ganz Glauben schenken und stieg erstmal im Toprope ein. Absolut richtige Entscheidung. Glücklicherweise ließ der Starkregen nach und auch andere Kletterwütige trafen im lichten Wald ein um sich in den letzten trockenen Routen zu versuchen. Die Neuankömmlinge waren etwas besser informiert als wir und durchaus beeindruckt von unserer Leistung. Denn diese vertikal Sportler wussten, dass die angebliche Aufwärmtour, in der wir uns mit mäßigem Erfolg versucht hatten eine 8a+, mit Tendenz zur 8b war. Guter Start. Glücklicherweise kam die Sonne dann doch noch zum Vorschein, was den verwunschenen Ort in einen subtropischen Regenwald verwandelte. Mäßiger Erfolg was die Bedingungen betraf…

Am nächsten Morgen ging es nach einem ausgiebigen Blick in den Kletterführer anderer Campingplatzbewohner, mit guter Laune und der Sonne im Gepäck wieder an den ersehnten, nun trockenen Fels. Und jetzt zeigte sich das Klettergebiet auch in seiner vollen Pracht. Viele einzelne aneinandergereihte Felstürme und Wandmassive mit verschiedenen Expositionen in allen Schwierigkeitsgraden warteten auf uns. Bereits der Zustieg über eng geschlungene Pfade, kleine Brücken, steile Treppen und durch tiefe Felsspalten zieht viele Wanderer in diese Region. Nach 10 Gehminuten erreichten wir dann das Felsmassiv, an welchem sich bereits ein internationales Publikum aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Deutschland und Luxemburg  eingefunden hatte. Mit dem Kletterführer bewaffnet und der durch das Blätterdach schimmernden Sonne konnte nun auch ein tatsächliches Aufwärmen stattfinden. Die leichteren Wege im 5 und 6 Grad finden zwar häufig großen Andrang, sind aber auch äußerst lohnend und in Sandstein aus bester Qualität. Diese gut abgesicherten, bis zu 30m langen Routen sind Grund warum sich die Felsen besonders an warmen Wochenenden im Sommer stark füllen. Seit wenigen Monaten ist auch kein Permit mehr notwendig um in Berdorf zu klettern. Lediglich die Mitgliedschaft in einer der UIAA zugeordneten Vereine ist Voraussetzung um den Fels zu nutzen (also DAV-Ausweis nicht vergessen). Den Kletterführer gibt’s auf den sauberen und günstigen Campingplätzen vor Ort. Die lokalen Felsfreunde haben gute Arbeit geleistet um im Einklang mit Naturschutzbehörden dieses Gebiet weiterhin für Kletterer zugänglich zu machen. Daher sollte, wie auch in anderen Klettergebieten, auf seine Umgebung Rücksicht genommen werden. Lediglich zweieinhalb Fahrstunden von Frankfurt aus ist dies sicherlich ein gutes Ausflugsziel für Bohrhakensportler.

 

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