Hochtour im Wallis
Hochtouren im Wallis...
... hatte Karl-Ludwig eigentlich das vierte Mal in Folge geplant und organisiert. Doch es sollte etwas anders kommen. Der diesjährige späte Termin und insbesondere die für die Tourenwoche vorhergesagte deutliche Wetterverschlechterung führten dazu, dass sich am Samstagabend, dem 29. August, nur fünf Bergfreunde im Hotel Moulin in Saas-Grund einfanden.
Für den Sonntag standen zur Akklimatisierung Mehrseillängenrouten an der Südwand des Jägihorns (3206 m) auf dem Programm. So kletterten bei noch herrlichem Wetter Sabine und Andre "Panorama". Inna und ich folgten nach kleineren Materialproblemen in "Alpendurst". Beides gut eingerichtete Plaisirrouten. Währenddessen stieg Karl-Ludwig über den Hohlaubgletscher zum Lagginjoch (3499 m) auf. Dort fand er den Gletscher mit imposanter Randkluft und die von uns im letzten Jahr für unseren verunglückten Bergkameraden Arno Rothert angebrachte Gedenktafel in bemerkenswert gutem Zustand vor.
Nach einer kurzen Nacht auf Hohsaas querten wir den Gletscher zum Lagginjoch und erreichten über den Südgrat den mit 4010 m niedrigsten Gipfel der Walliser Alpen, das Lagginhorn. Eine schöne luftige Kletterei, jedoch auch sehr intensive Momente. An der Absturzstelle bin ich immer noch fassungslos.
Am Dienstagmorgen beim Frühstück ist die Wettervorhersage so schlecht, dass in den Folgetagen keine Hochtouren möglich sein werden. Wir beraten lange.
Sabine und Karl-Ludwig beschließen, zum Battert zu fahren. Dort finden sie gute Bedingungen vor und klettern noch einige Tage zusammen mit Matthias.
Inna, Andre und ich fliehen vor dem schlechten Wetter nach Süden.
Im Sonnenuntergang erreichen wir den Campingplatz von Finale Ligure, neben Arco das bekannteste Kletterparadies Italiens. Über 2000 Routen, gut abgesichert, aber auch ganz schön anspruchsvoll, wie wir zur Kenntnis nehmen müssen. Im Kletterladen "Rockstore" bekommen wir ein paar Hinweise und finden zu uns passende Routen.
Nach drei Tagen klettern am warmen Kalk, Sonne, Meer, Strand, ligurischem Wein und Essen stehen wir drei zusammen auf einer der Felsnadeln "Tre Frati".
Ein schöner Abschluss. Schließlich ist das Wetter in den Alpen wieder deutlich besser geworden. So drängt nicht nur Andre zurück in die Alpen.
Angesichts der Tatsache, dass wir uns so weit im Süden befinden, werden wir uns schnell einig, in den Naturpark Écrins zu fahren. Am Talende übernachten wir im urigen Refuge Pré de Mme Carle (1874 m). Nach deftigem Essen und einer sternenklaren Nacht werden wir morgens von Murmeltieren geweckt. Eine atemberaubende, fast menschenleere Natur erwartet uns. Wir steigen langsam auf. Auch hier die Gletscherrückgänge deutlich. Unterwegs am Ref. Glacier Blanc (2250 m) freut sich die Hüttenwirtin über die von Andre hoch geschleppten Salatköpfe.
Nachmittags erreichen wir das Ref. des Écrins (3170 m), welches wir fast ganz für uns haben. Von der Terrasse aus kann man den Weg durch den weitläufigen Gletscher bis hin zu den Gipfeln, die wir am nächsten Tag angehen wollen, gut erkennen. In der Abendsonne küren wir Inna noch als die Scrabble-Queen. Die Nacht ist wieder recht kurz. Im Schein der Stirnlampen geht es am Seil weiter über den Gletscher und in gebührender Eile aus der Schussbahn der oberhalb befindlichen Seraks. Der zusammen mit uns, allerdings im Laufschritt gestartete Hüttenwirt begegnet uns schon bald auf seinem Rückweg. Um neun Uhr stehen auch wir auf dem Gipfel des Dôme de Neige (4015 m). Bei Sonnenschein, aber bitterkaltem Wind geht es in luftiger Kletterei zum Pic Lory (4086 m) und weiter über den Gipfelgrat zur Barre des Écrins (4101 m), wo wir mit einer faszinierenden Aussicht belohnt werden.
Erschöpft, aber glücklich erreichen wir spätnachmittags das Talende bei Mme Carle.
Nach einer erholsamen Nacht macht uns der Weckdienst der Murmeltiere unbarmherzig klar, dass es leider wieder heimwärts gehen muss. Es ist mittlerweile Dienstag und Inna und ich müssen am nächsten Tag wieder arbeiten. Andre ist noch etwas unschlüssig was er mit seinen letzten freien Tagen anfangen soll. Ein erfrischendes Bad im Lac d'Annecy bringt Klarheit. Andre lässt sich am Bahnhof von Lausanne absetzen und fährt alleine wieder nach Zermatt, wo ihm zwei Tage später die Besteigung des Matterhorns über den Hörnligrat fast gelingt. Aufgrund des schlechten Wetters muss er 150 m unterhalb des Gipfels umkehren. Schade, aber trotzdem eine tolle Leistung.
Eine Woche später sitzen wir in Frankfurt zusammen und erfreuen uns beim Betrachten der Bilder an den gemeinsamen Erlebnissen. Allerdings mischt sich auch Nachdenklichkeit darunter. Ein paar Tage nach uns sind nach heftigen Schneefällen sieben Bergsteiger am Dôme de Neige in einer Lawine umgekommen.
Trotzdem werden wir sicherlich auch im nächsten Jahr, wenn Karl-Ludwig ruft, wieder mit im Wallis dabei sein. Schließlich wollen die für dieses Jahr geplanten, aber leider dem schlechten Wetter zum Opfer gefallenen Touren noch begangen werden.
Marc Hermes