Die Hoffnung schwimmt zuletzt

Zelt aufbauen

Wenn ich mal anfange am Morgen Tee statt Kaffee zu trinken, dann muss dieser schon ziemlich gut sein. Er war auch bitter nötig, denn dafür, was mich an diesem Morgen erwartete, benötigte ich alle beruhigenden Eigenschaften dieser Flüssigkeit. Das Auto hätte nämlich mindestens zweimal so groß sein müssen, um alles an Gepäck einzuladen. Wir übten uns morgens um sechs Uhr an „Tetris für Autos“. Nach gefühltem stundenlangem Umpacken war das Wunder vollbracht. Alle mitfahrenden Personen wurden so ins Auto gesetzt, dass keine dauerhaften körperlichen Schäden bei ihnen entstanden. Interessanterweise war der Rest der Hinfahrt erstaunlich ruhig, wenn man von ein, zwei Staus aufgrund von brennenden Autos in den Schweizer Tunneln mal absieht. Unser kleines Paradies lag eingefasst zwischen den malerischen Bergen des Monte Salmone am Rande des Flusses Maggia, von wo man direkt den Topo auspacken und sich die ersten Felsen ausspähen konnte. In meinem Leben war ich ja schon auf einigen Campingplätzen in Europa, aber ich habe in all dieser Zeit noch nie so einen gut strukturierten und durchdachten Campingplatz wie diesen gesehen (sagt ein Deutscher in der Schweiz). Das Aufbauen der Zelte stellte für uns zwei Linkshänder keine größeren Hürden dar, einzig den Erkundungsdrang der Kinder mussten wir etwas zügeln bis alles stand. Die Maggia war zu dem Zeitpunkt ein kleiner aber sehr schöner Fluss, der dem Aufbau nach in den Zeiten der Schneeschmelze noch sehr über sich hinauswachsen konnte. Zelte stehen, Essen verschlungen, dann ist es Zeit für Stockbrot. Nur dumm, wenn man vorher noch Feuerholz sammeln muss. Es ist manchmal interessant zu sehen, was sich hinter Kinderlogik verbirgt, Stockbrot ja, aber kein Feuerholz. Stockbrot ist nicht jedermanns Geschmack, aber alle hatten ihren Spaß und die Beliebtheit bei den Kindern war so groß, dass Stockbrot in den regelmäßigen Tagesplan mit eingeplant wurde. Auch die Beliebtheit von Nutella machte sich gleich am ersten Abend bemerkbar. Zum Glück dachten alle, es gäbe zu wenig Nutella und brachten elber noch Gläser mit. Ein Mangel an Nutella gab es nie, am Ende war im letzten Glas sogar noch was drin, als wir wieder nach Frankfurt kamen. Stockbrot machen geht übrigens bei jedem Wetter. 

Da wir jetzt schon beim Wetter sind. Wenn man über Ostern in die Schweiz fährt, dann darf man nicht unbedingt gutes Wetter erwarten. Aber was uns da erwartet hat, war alles andere als das, was uns die Vorhersagen haben glauben machen wollen. Wir alle hatten die Möglichkeit, neue Erfahrungen mit Nebelbänken zu machen. Da es im Tessin zu dem Zeitpunkt unseres Aufenthaltes keinen trockenen Fleck mehr gab, war das Tagesziel „Wanderung zum Kletterfels zum Anschauen“. Alle ins Auto, ab zum Wandern. Wir starteten bei Sonnenschein zu unserer kleinen Bergtour. Der Weg war von einem entgegenkommenden Bach gekennzeichnet. Immer dem Wasserverlauf folgen. Oben beim Kletterfelsen angekommen, hmmm, wo ist das Tal? Da sind nur Wolken. Ein Wechselspiel zwischen tiefen Wolken und Nebel machte uns zu Beobachtern des interessanten Naturschauspiels. Natürlich gibt es noch mehr interessante Wettererscheinungen, bevor ich jetzt noch weiter übers Wetter schwafle. Kurz: Sonne bei 20°, Kälte, Nieselregen, Platzregen, Gewitter, schneebedeckte Gipfel. Ich komme nun mal wieder zum Klettern. Natürlich hatten wir ein paar Momente auch Glück mit dem Wetter: Klettern! Das Gebiet hatten wir ja schon beim Spaziergang ausgekundschaftet. Die kleinen Bäche am Felsen ignorierten wir und suchten trockene Routen, welche nach Geduld und kurzer Wartezeit auch zu finden waren. Los geht es. Plattenklettern war am Anfang für alle etwas ungewohnt, aber Übung macht den Meister. Die Kletterschuhe halten an der Wand, Vertrauen ist wichtig. Der Tag sollte nach Wunsch aller mit Stockbrot machen enden, es sollte ja nur etwas Nieselregen geben. Nachdem wir genügend Feuerholz in Form eines Baumstammes gefunden hatten, das benötigte Werkzeug zum Kleinmachen organisiert war, war Kinderarbeit an der Reihe. Motivierte Kinder beim Holzmachen. Bei den Vorbereitungen kamen die Wolken, dunklere Wolken, schwarze Wolken, Nieselregen, Regen, Hagel, große Hagelkörner, große Regentropfen, Dauerregen. Hmm Stockbrot wollten wir aber immer noch. Bierbänke und Metallmüllbeutelhalter sind nützlich. Feuer mit Regenschutz und Kinder unter unserem selbstgebauten Haus aus Bierbänken. Alle hatten ihren Spaß. Wenn das Wetter es mal wieder nicht zuließ zu klettern und das Wandern zu langweilig war, suchten wir die Umgebung ab. Hmm, was ist das? Ein Becken mit Wasser und Wasserhahn. Die Aufgabe des Dammbauens beginnt. Steine, Blätter und viel Wasser, bis das Becken überläuft. Das Highlight, die Zerstörung des Dammes in Zeitlupenfilm, wie schön, dass das Handy das kann, es sieht aus wie im Actionfilm. Unser schöner Fluss am Campingplatz war zu einem reißenden sehr großem Fluss geworden. Er sah aus wie eine braune Brühe. Jetzt wussten wir, wo das ganze Wasser war, was zum Glück nicht auf dem Campingplatz stand, sondern abgeflossen war. Der Abreisetag kam und die Sonne war wieder da, das Wetter mochte uns echt. Wir genossen das gute Wetter zum Abbauen der Zelte und packten das Auto. Die Rückfahrt war bis auf zwei Stunden Stau recht ereignislos und Frankfurt hatte uns wieder.

Sebastian Schadel

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