Hüttenwanderung im Allgäu

29.07.2013 - 01.08.2013

Als ich vor ca. zwei Jahren den Gedanken äußerte, mit den Kindern in diesem Jahr eine Hüttenwanderung unternehmen zu wollen erhielt ich sofort viel elterliche Zustimmung. Zunächst begann die Planung- fast der schwierigste Teil einer solchen Unternehmung.

Die Hütten sollten nicht allzu weit auseinander liegen, das Gelände nicht absturzgefährdet und noch so einige andere Faktoren mussten berücksichtigt werden. Ich entschied mich für einen Teil der „Steinbocktour“ im Allgäu. Eine leichte Runde über Fiderepasshütte -  Krumbacher Höhenweg - Mindelheimer Hütte – Schrofenpass,  Mutzentobel – Rappenseehütte – Enzianhütte, Einödbach nach Oberstdorf/ Birgsau. Nach intensiven Karten- und Führerstudium sowie Recherchen im Internet zweifelte ich jedoch manchmal an der Durchführbarkeit der Unternehmung mit Kindern. Schlussendlich erhielt ich aber die brauchbarsten Auskünfte von den Hüttenwirten. Auch die Reservierung der Lager verlief absolut unkompliziert.

Die Gruppe bildete sich aus fünf Familien mit 7 Kindern von 6-12 Jahren und 7 Erwachsenen.

Erster Tag:

Ende Juli war es endlich soweit. Treffpunkt montags 11:30 Uhr Kanzelwandbahn Talstation im Kleinwalsertal. Nach vorausgegangener wochenlanger Schönwetterperiode war für die ersten Tage nicht das beste Wetter angekündigt. Prognose für den ersten Tag waren Gewitter (hatte ich doch auf der letzten Familiengruppenleisterausbildung gelernt, dass diese mit Kindern unbedingt zu meiden sind). Aber was tun? Fünf Familien sind pünktlich aus Frankfurt angereist, die Hütten reserviert und wann und ob diese Gewitter wirklich kommen war auch nicht voraussehbar. Blieb doch das angekündigte Unwetter am Vorabend in dieser Region auch schon aus.

Pünktlich beim Abmarsch am Parkplatz fing es an zu regnen. Die Regenjacken hatte wirklich jeder ganz unten im Rucksack. Also hieß es, bevor wir überhaupt einen Meter gelaufen sind, Rucksack auspacken, Regenjacke anziehen und Rucksack wieder einpacken. Eine viertel Stunde später saßen wir endlich in der Gondel, die uns bequem 800 Hm weiter oben in ein dickes Wolkenfeld brachte. Oben angekommen verzögerte sich der Weiterweg mal wieder durch einen neuartig angelegten Wasserspielplatz (wie inzwischen an vielen Gondelstationen). Da wurde im Wasser geplanscht, gestaut und plötzlich war einer im Nebel verschwunden. So wanderten wir die ersten Meter entlang des Wasserweges und über den Blumenlehrpfad bergab Richtung Rossgrundalpe. Den ersten Donnerschlag konnten wir geschickt als Flugzeug verkaufen, denn gesehen haben wir außer unzähligen Alpensalamandern auf dem Weg nichts. Immer wieder war aus dem Nebel zu hören „Vorsicht, hier ist auch einer“ und jeder wurde von jedem Kind in Augenschein genommen.

Kurz vor der Rossgrundalpe machten wir eine kurze Rast auf dem Weg. Hier bot sich die Gelegenheit sich mit der einzigartigen Blumenvielfalt des Gebietes vertraut zu machen.

Weiter ging es über den Krumbacher Höhenweg wo wir noch eine weitere Familie einsammelten, die von der Fellhornbahn herüberkam. Nun komplett  ging es weiter zur Kühgrundalpe, auf dem Weg mussten wir die ersten Felshindernisse mittels Drahtseil überwinden.

An der Kühgrundalpe stärkten wir uns noch mal kurz, denn jetzt hatten wir gut 300 Hm Aufstieg vor uns. Der zweite Donnerschlag hat dann die Kinder beflügelt dies einigermaßen zügig zu tun. Singend und Witze erzählend ging es stetig weiter, eine am Berg angebrachte Eisenstange in der Ferne wurde schon mal als Hütte definiert „Das da oben ist endlich die Hütte“ , Austrittsbekundungen aus dem DAV gab es auch „Wenn ich oben bin, trete ich aus dem DAV aus“. Ein letztes steiles Geröllfeld wurde gemeistert und plötzlich stand die Fiderepasshütte (2067m) vor uns.

In der Hütte angekommen belagerten wir sofort den gebläsestarken Trockenraum um anschließend unser Lager zu beziehen. Für die meisten Kinder war es die erste Übernachtung im gemeinschaftlichen Lager. Es dauerte nicht lange da ging auch schon die erste Kissenschlacht los. Inzwischen war ein kräftiges Gewitter mit starken Regen aufgezogen und alle waren froh in der warmen Hütte zu sitzen. Das Spiel des Abends wurde das Würfelspiel Mäxchen. Das mit dem Austritt klang später so: „Ich überleg es mir noch mal“.

Zweiter Tag:

Am nächsten Morgen war von der angekündigten Wetterbesserung nichts zu sehen. Es regnete immer noch und wo der Weg weiterführte war auch nicht zu sehen.

Also war keine Eile geboten. Gemütlich wurden die übergroßen Rucksäcke gepackt und eine Stunde später als ursprünglich geplant machten wir uns auf den Weg zur Fiderescharte (2214m). Immer noch im Nebel stiegen wir gemütlich über das Geröllfeld an, querten ein Schneefeld (für fast alle Kinder die erste Schneefeldquerung) um anschließend in Serpentinen das Geröllfeld zur Scharte aufzusteigen. Nicht ein Steinchen wurde von den Kindern losgetreten. Oben angekommen schien endlich die Sonne! Auf der anderen Seite der Scharte stiegen wir hinab um wieder den Krumbacher Höhenweg zu erreichen. Unterwegs machten wir Rast an einem großen Schneefeld. Die Sitzmatte wurde als Poporutscher umfunktioniert und Abfahren im Schnee übten wir auch. Wir hatten viel Spaß im Schnee mitten im Sommer und wenig Zeit zum Essen. Weiter ging es auf und ab über den aussichtsreichen Krumbacher Höhenweg Richtung Mindelheimer Hütte.

Während einer weiteren Rast konnten wir die Klettersteiggeher auf dem Mindelheimer Klettersteig beobachten und den Weg des nächsten Tages in Augenschein nehmen. Im Schlussanstieg ließ sich Julian, der bisher das wandern hasste ein „Oh, wie ist das schön hier“ entlocken und bestaunte jede Blume am Wegesrand. Auf der Mindelheimer Hütte (2013m) angekommen genossen wir die wärmende Sonne mit gekühlten Getränken auf der Terrasse. Die Kinder entdeckten währenddessen den Handyausschalter. Ein Hackklotz mit Hammer. Das dort bereits liegende kaputte Handy überstand den Abend nicht und die Einzelteile dienten als Trophäen.

Während wir Erwachsenen uns den kulinarischen Köstlichkeiten der Hütte hingaben, plünderten die Kinder die Süßigkeiten aus den Rucksäcken, um an dem im Erdgeschoss liegenden Lager im Nebenhaus Kiosk zu spielen. Auch hier wurde wieder Spiel des Abends „Mäxchen“.

Dritter Tag:

Für den dritten Tag hatten wir die längste und schwierigste Etappe vor uns. Zunächst stiegen wir erst einmal 500 Hm hinab zum Haldenwanger Bach. Nach kurzer Rast legten die Kinder sich einen Klettergurt mit Seilstück an, um anschließend auf den drahtseilversicherten Weg zum Schrofenpass aufzusteigen. Dies ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, da hier ein Ausrutscher eines Kindes fatale Folgen haben könnte. Weiter ging es stetig bergan über das Salzbücheljoch und Schlosswand zum Mutzentobel. Die schwierigste Passage unserer Wanderung. Kurz vor dem Tobel machten wir nochmals eine Rast, um ausgeruht diesen Teil zu überwinden. Wieder am Drahtseil gesichert stiegen wir ins Tobel hinab, überquerten den Bach, um auf der anderen Seite wieder auszusteigen. Völlig unproblematisch und diszipliniert meisterten die Kinder auch diesen Abschnitt. Was dann kam war weit schlimmer: Kühe soweit das Auge reicht. Mitten auf dem Weg! Nachdem auch diese Hindernisse überwunden waren kam nun der Schlussanstieg zur Rappenseehütte (2091m). Manche eilten nur so hinauf, für andere war jeder Wegweiser mit Zeitangabe ein Drama. Völlig erschöpft oben angekommen hatten die Kinder aber schon wieder Energie, um im gleichnamigen See zu baden. Pünktlich zur letzten Essensausgabe waren alle wieder auf der Hütte. Auch die freilaufenden Kaninchen und Hühner dienten der Kinderbelustigung.

Vierter Tag:

Der vierte Tag ist Ruhetag. Eine Familie verabschiedete sich, lockten die Bregenzer Festspiele. Kolja, Martin und Karin bestiegen das Hohe Licht (2651m), Ulla nahm die Hüttengipfel Hochgrundspitz und Rappenseekopf in Angriff, während die übrigen am idyllisch gelegenen Rappensee chillten. Die Kinder schwammen im eiskalten See und bauten Staudämme in den Zuläufen. Nirgends gab es so viele Murmeltiere aus nächster Nähe zu beobachten wie hier.

Fünfter Tag:

Nach einer weiteren Nacht in der Rappenseehütte und zur Verwunderung so mancher Hüttengäste „wo kommen denn die vielen Kinder her, sind die mit dem Helikopter heraufgekommen“ stiegen wir am fünften und letzten Tag den Weg über die Enzianhütte ab. Hier hatten wir noch mal ein gar nicht so einfaches Schneefeld zu queren weiter hinab zur Petersalpe. Je tiefer wir kamen desto heißer wurde es, da kamen uns die kühlen Getränke der Alpe gerade recht und der Kuchen war superlecker! Weiter ging es den Hang entlang bis nach Einödsbach. Nach einem Eis für die Kids erreichten wir schnell Birgsau (956m). Von dort ging es mit dem Bus ins Kleinwalsertal. Auf dem Parkplatz angekommen wurden schnell die Wanderschuhe ausgezogen und achtlos in die Mitte geworfen mit den Worten „Hier Mama, die brauch ich jetzt nicht mehr“.

Zum Schluss betrachtet war die Hüttentour für alle ein tolles Erlebnis. Für uns Erwachsene sowieso nach Baby- und Kleinkinderphase endlich mal wieder eine vernünftige Tour zu machen, die Kinder erlebten, dass warmes Wasser oder das geliebte Frühstücksbrötchen eben nicht überall verfügbar sind, dafür aber die Blumenvielfalt, Alpensalamander, Murmeltiere oder Gämsen oder der tolle Rappensee und die Hütte eben auch Ihren Reiz haben.

 

 

 

 

Text: Michelle Kramer & Alexandra Braun

Bilder: Familie Gierke/ Naser    

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